Wegzeit – Freizeit oder Arbeitszeit?

Wegzeit – Freizeit oder Arbeitszeit?

In Österreich finden sich wesentliche Regelungen zum Arbeitszeitrecht im Arbeitszeitgesetz (AZG). Gemäß § 2 AZG ist Arbeitszeit „die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen“. Welche Zeit in diesem Zusammenhang zur „Arbeit“ gehörig gilt, ist dem Gesetz nicht näher zu entnehmen. Anerkanntermaßen gilt als Abgrenzungsansatz, inwieweit der Arbeitnehmer hinsichtlich seines Verhaltens unter der Verfügungsmacht des Arbeitgebers steht. Entscheidet der Arbeitnehmer völlig frei über sein Handeln sowie seinen Aufenthaltsort, liegt Freizeit und nicht Arbeitszeit vor.

Wegzeit

Die Wegzeit von zu Hause zur Dienststätte gilt in der Regel nicht als Arbeitszeit. Davon sind Reisezeiten zu unterscheiden, in denen der Arbeitnehmer nach Auftrag des Arbeitgebers vorübergehend seinen ursprünglichen Dienstort verlässt, um woanders eine Leistung zu erbringen. Ist während dieser Zeit eine Arbeitsleistung zu erbringen oder gehört die Reisetätigkeit zum ständigen Aufgabenkreis des Arbeitnehmers, liegt ohnehin Arbeitszeit im engeren Sinn vor (beispielsweise ein Monteur, der zur Durchführung von Servicearbeiten von Kundschaft zu Kundschaft fährt).

EU-Richtlinie

Nach der Richtlinie 2003/88/EG („Arbeitszeitrichtlinie“), gibt es eine Unterteilung in

  • Arbeitszeit einerseits, in der der Arbeitnehmer arbeitet beziehungsweise dem Arbeitgeber zur Verfügung steht und Aufgaben wahrnimmt, und
  • Ruhezeit andererseits, die jede Zeitspanne umfasst, in der keine Arbeitszeit vorliegt.

Dazwischen ist keine Zwischenkategorie vorgesehen.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) entschied in der Rechtssache „Tyco“ (C‑266/14), dass die Fahrtzeit von Arbeitnehmern, die keinen festen oder gewöhnlichen Arbeitsort haben, für die täglichen Fahrten zwischen ihrem Wohnort und dem Standort des ersten und des letzten von ihrem Arbeitgeber bestimmten Kunden als Arbeitszeit im Sinne des Artikel 2 Ziffer 1 der Arbeitszeitrichtlinie zu betrachten ist.

Entscheidung des OGH

In einer kürzlich ergangenen Entscheidung (ich durfte in diesem Verfahren in dritter Instanz einschreiten) befasste sich der Oberste Gerichtshof (OGH) mit der Frage, ob für die betroffenen Arbeitnehmer im konkret zu beurteilendem Fall Arbeitszeit oder unbezahlte Wegzeit vorlag (OGH 9 ObA 8/18v). Es handelte sich um Außendienstmitarbeiter, die für die Inbetriebnahme, Wartung und Reparatur von Heizgeräten bei Kunden zuständig waren. Sie erhielten am Anfang des Arbeitstages elektronisch die Daten der Kunden zugesandt und mussten sich mit speziell ausgerüsteten Dienstfahrzeugen zu diesen begeben. Der beklagte Arbeitgeber betrachtete die Fahrtzeiten vom Wohnort zum ersten Kunden und abends vom letzten Kunden wiederum nach Hause nicht als Arbeitszeit und vergütete diese nicht entsprechend.

Der OGH befand, dass aufgrund der wesentlichen Gemeinsamkeiten des vorgebrachten Falles mit dem der Entscheidung „Tyco“ die Fahrtzeit Wohnort-Kunde als Arbeitszeit zu qualifizieren war. Laut OGH ist für die Beurteilung, ob nicht zu bezahlende Wegzeit besteht, grundsätzlich maßgeblich, dass der Arbeitnehmer über die Verwendung seiner Zeit noch bzw. wieder selbst entscheiden kann. Davon konnte nicht ausgegangen werden, da es den arbeitsvertraglichen Verpflichtungen der Arbeitnehmer entsprach, sich mit den Firmenfahrzeugen zu den ersten und von den letzten Kunden zu begeben, den kürzesten Weg dabei zu nehmen und nur begrenzt am Weg liegende außerberufliche Tätigkeiten bzw. Stopps vorzunehmen.

Auch besagt die zu beachtende Judikatur des EuGH, dass die Fahrten untrennbar zum Wesen eines Arbeitnehmers gehören, der keinen festen oder gewöhnlichen Arbeitsort hat, so dass der Arbeitsort solcher Arbeitnehmer nicht auf die Orte beschränkt werden kann, an denen sie bei den Kunden ihres Arbeitgebers physisch tätig werden.

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