Der Kollektivvertrag und seine Bedeutung
Verhandlungen der Sozialpartner über Kollektivvertragsabschlüsse haben in den letzten Monaten mehrfach die Berichterstattung in den Medien mitgeprägt. Doch welche Bedeutung haben Kollektivverträge für die einzelnen Arbeitnehmer?
Was ist ein Kollektivvertrag?
Kollektivverträge sind überbetriebliche schriftliche Vereinbarungen, die von kollektivvertragsfähigen Körperschaften der Arbeitgeber- und der Arbeitnehmerseite ausverhandelt werden. Das sind einerseits die Kammern und andererseits berufliche Vereinigungen mit freiwilliger Mitgliedschaft, denen Kollektivvertragsfähigkeit verliehen wurde. In der Praxis verhandeln in den meisten Fällen für die Arbeitgeberseite die jeweilige Wirtschaftskammer bzw. deren Fachgruppen und für die Arbeitnehmerseite der Österreichische Gewerkschaftsbund bzw. deren Fachgewerkschaften.
Kollektivverträge sind innerhalb ihres Geltungsbereichs verbindlich. Sie werden in der Regel für die jeweiligen Wirtschaftszweige befristet oder unbefristet abgeschlossen. In der Regel werden alljährlich Verhandlungen zwischen den Kollektivvertragsparteien – vor allem über eine angemessene Anhebung der Mindestgehälter – geführt.
Inhalt
Den wesentlichen Kern bilden Bestimmungen, die Rechte und Pflichten der Arbeitgeber und Arbeitnehmer festlegen und typischerweise in Arbeitsverträgen geregelt werden. Der Kollektivvertrag kann gesetzliche Regelungen ergänzen oder verdrängen, wenn sie für den Arbeitnehmer günstiger bzw. besser sind.
Typischerweise geregelt werden:
- Mindestlöhne
- Sonderzahlungen (z.B. Urlaubs- und Weihnachtsgeld)
- Arbeitszeitregelungen
- Lohnerhöhungen (die in Form einer prozentuellen Erhöhung auch denjenigen zugutekommen, deren Entgelt über dem Mindestlohn liegt)
- Zuschläge (z.B. für Überstunden oder Feiertagsarbeit)
- Kündigungsfristen und -termine
Der Kollektivvertrag ist innerhalb der Branche rechtsverbindlich und grundsätzlich unabdingbar. Es darf durch Betriebsvereinbarungen oder in Arbeitsverträgen nur unter der Voraussetzung etwas anderes bestimmt werden, dass dies für den Arbeitnehmer wiederum günstiger ist. Der Kollektivvertrag legt insofern ein gewisses Maß an Mindestarbeitsbedingungen fest, das nicht unterschritten werden darf.
Welcher Kollektivvertrag ist anzuwenden?
Arbeitgeber sind kollektivvertragsunterworfen, wenn sie Mitglied der abschließenden Interessenvertretung sind, zum Abschlusszeitpunkt waren oder dieser später beitreten. Für Arbeitnehmer ist eine gesetzliche Außenwirkung geregelt, die besagt, dass für alle Arbeitnehmer eines Arbeitgebers auch dessen Kollektivvertrag gilt. Dementsprechend ist eine Mitgliedschaft bei einem abschließenden Arbeitnehmerverband nicht notwendig, um für den einzelnen Arbeitnehmer Kollektivvertragsbestimmungen gelten zu lassen. Der anzuwendende Kollektivvertrag ist im Dienstzettel des Arbeitnehmers anzugeben und muss zudem im Betrieb zur Einsicht aufgelegt werden.
Bedeutung des Kollektivvertrags
Der Kollektivvertrag bildet ein wesentliches Instrument der Sozialpartnerschaft, das sich bewährt hat, um sozialen Frieden und faire Bedingungen für Arbeitnehmer zu schaffen. Für Arbeitnehmer ist die Vertretung durch Arbeitnehmerverbände eine Garantie dafür, dass sie einen verhandlungsstarken "Gegenpart" zu den Arbeitgebern haben.
Dadurch, dass für Arbeitnehmer die Kollektivvertragsanwendung nicht von der Zugehörigkeit zu einer Gewerkschaft abhängt und seitens der meisten Arbeitgeber die Wirtschaftskammer verhandelt (zu denen, mit wenigen Ausnahmen, eine gesetzliche Mitgliedschaft besteht), sind in Österreich nahezu 98% der Dienstverhältnisse einem Kollektivvertrag unterworfen.
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