Kollektivvertrag und Pflichtmitgliedschaft

Kollektivvertrag und Pflichtmitgliedschaft

Die Mitgliedschaft in den gesetzlichen Interessenvertretungen der Arbeitgeber und Arbeitnehmer, wie Wirtschaftskammer und Arbeiterkammer, ist gesetzlich geregelt (Solidargemeinschaft im Rahmen der beruflichen Selbstverwaltung). In letzter Zeit ist die Aufhebung dieser „Pflichtmitgliedschaft“ im Gespräch. Die eventuellen Auswirkungen dieser Entscheidung auf Arbeitsverhältnisse sind nicht außer Acht zu lassen.

Wie entsteht ein Kollektivvertrag?

Die vom Gesetzgeber dazu ermächtigten Körperschaften der Arbeitgeber und Arbeitnehmer schließen Kollektivverträge ab. Die sogenannte „Kollektivvertragsfähigkeit“ besitzen einerseits die Kammern und andererseits Berufsvereinigungen mit freiwilliger Mitgliedschaft. Für die meisten Kollektivverträge verhandelt auf Arbeitgeberseite die jeweilige Wirtschaftskammer bzw. deren Fachorganisation und auf Arbeitnehmerseite der Österreichische Gewerkschaftsbund.

Die Bindung der Arbeitgeber an Kollektivverträge ergibt sich (mit wenigen Ausnahmen) aus der Mitgliedschaft beim jeweils vertragsschließenden Verband. Da mit jeder Ausübung eines Gewerbes auch die Mitgliedschaft bei der Wirtschaftskammer verbunden ist, sind fast alle Unternehmer einem Kollektivvertrag unterworfen. Die gesetzliche „Außenseiterwirkung“ für Arbeitnehmer lässt Kollektivverträge auch auf ihre Dienstverhältnisse wirken, wenn sie nicht Mitglied bei einer der Kollektivvertragsparteien, aber bei einem kollektivvertragsangehörigen Arbeitgeber beschäftigt sind. Damit werden einerseits unterschiedliche Arbeitsbedingungen innerhalb eines Betriebes vermieden und andererseits ein Unterlaufen des Kollektivvertrags verhindert.

"Freiwillige Kammermitgliedschaft" – Folgen für den Kollektivvertrag

Der Kollektivvertrag erfüllt wichtige Funktionen hinsichtlich des Schutzes der Arbeitnehmer und des Friedens in der Gesellschaft. Dazu kommt noch die Verhinderung von Wettbewerbsverzerrungen innerhalb der Unternehmer durch „Lohn- und Preisdumping“. Nicht zuletzt aufgrund unseres Systems der „Pflichtmitgliedschaft“ finden auf etwa 98 Prozent der österreichischen Dienstverhältnisse Kollektivverträge Anwendung – ein auch international sehr hoher „Deckungsgrad“. Stünde es den Arbeitgebern offen, Mitglied einer kollektivvertragsfähigen Körperschaft zu sein oder nicht, so wäre damit auch die Kollektivvertragsunterworfenheit in deren freien Verfügung.

Realistische Alternativen zu unserem System, um weiterhin ein annähernd hohes Schutzniveau zu erhalten, sind nicht vorhanden.

 (Siehe dazu auch den von mir verfassten Artikel "Gefahr für den Kollektivvertrag", der am 07.11.2017 in der Tageszeitung "Der Standard“ erschienen ist.
http://derstandard.at/2000067228823/Kammernmitgliedschaft-in-den-Gefahr-fuer-den-Kollektivvertrag)