Kündigungsschutz und Zwölfstundentag

Kündigungsschutz und Zwölfstundentag

Seit September 2018 gilt die novellierte Fassung des Arbeitszeitgesetzes (AZG). Die neuen Regelungen sorgen seit ihrem Beschluss im Nationalrat für viel Diskussion und Kritik ("Zwölfstundentag").

Einschränkung des Anwendungsbereichs

Das AZG gilt für nahezu alle ArbeitnehmerInnen in der Privatwirtschaft. Ausgenommen  sind leitende Angestellte, neuerdings auch sonstige Arbeitnehmer mit maßgeblicher selbständiger Entscheidungsbefugnis und bestimmte nahe Angehörige des Arbeitgebers (Eltern, Kinder, Ehegatten, etc.). Sie unterliegen somit grundsätzlich keinen Beschränkungen der Arbeitszeit.

Neue Höchstgrenzen / "Zwölfstundentag"

Unverändert sind die Normalarbeitszeiten (NAZ) mit täglich 8 Stunden und wöchentlich 40 Stunden. Andere Verteilungen sind möglich und in Kollektivverträgen häufig vorgesehen. Arbeitsstunden, die über die gesetzliche NAZ hinausgehen, sind Überstunden und dementsprechend zu vergüten.

Eine der wesentlichen Änderungen sind die neuen Höchstgrenzen der Arbeitszeit. So ist es zulässig, täglich bis zu 12 Stunden und wöchentlich bis zu 60 Stunden zu arbeiten. Bei erhöhtem Arbeitsbedarf dürfen (innerhalb der Höchstgrenzen) in der einzelnen Woche bis zu zwanzig Überstunden geleistet werden. In einem Durchrechnungszeitraum von 17 Wochen darf aber die durchschnittliche Wochenarbeitszeit nicht mehr als 48 Stunden betragen.

Ablehnungsrecht und Kündigungsschutz

Eine allgemeine Pflicht von ArbeitnehmerInnen zur Leistung von Überstunden gibt es nicht, kann aber im einzelnen Arbeitsvertrag (auch durch schlüssige ergänzung desselben), im Kollektivvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung festgelegt werden. Liegt ein betrieblicher Notstand vor, ist der Arbeitnehmer ebenso verpflichtet, Überstunden zu leisten. Der Arbeitgeber darf den einzelnen Arbeitnehmer jedoch nicht zur Überstundenarbeit heranziehen, wenn dem berücksichtigungswürdige Interessen des Arbeitnehmers entgegenstehen (z.B. dringende Familienpflichten wie Kinderbetreuung).

Neu eingeführt wurde das Ablehnungsrecht von Arbeitsstunden, die über zehn Stunden täglich oder 50 Stunden wöchentlich hinausgehen, und ein spezieller Kündigungsschutz.

Den ArbeitnehmerInnen steht es demnach frei, ohne Angaben von Gründen Überstunden abzulehnen, wenn dadurch die Tagesarbeitszeit von zehn Stunden oder die Wochenarbeitszeit von 50 Stunden überschritten werden würde. ArbeitnehmerInnen, die dieses Recht ausüben, dürfen deswegen hinsichtlich ihrer Arbeitsbedingungen (Entgelt, Aufstiegsmöglichkeiten, etc.) nicht benachteiligt werden. Zu welchem Zeitpunkt die Ablehnung spätestens zu erklären ist, kann dem Gesetz nicht entnommen werden und wird wohl nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen sein. Der/die ArbeitnehmerIn wird gut daran tun seinem/seiner ArbeitgeberIn frühestmöglich die Ablehnung dieser Sonderüberstunden mitzuteilen.

Für den Fall, dass ein/e ArbeitnehmerIn gekündigt wurde, weil er/sie sein/ihr Ablehnungsrecht geltend gemacht hat, kann er/sie innerhalb von zwei Wochen die Kündigung bei Gericht anfechten. Ziel der Anfechtungsklage ist die Weiterbeschäftigung. Es ist von ihm/ihr glaubhaft zu machen, dass er/sie wegen Ablehnung der Überstunden gekündigt wurde. Ist es nach Berücksichtigung aller Umstände jedoch wahrscheinlicher, dass ein anderer Grund für die Kündigung ausschlaggebend war, ist die Anfechtung abzuweisen.

Im Gesetz wird nur die Anfechtung von Kündigungen erwähnt. Den Gesetzesmaterialien ist jedoch zu entnehmen, dass Entlassungen, die aufgrund der Ausübung dieses Ablehnungsrechts ausgesprochen werden, ebenso ungerechtfertigt sind. Somit sind sie nach der Absicht des Gesetzgebers gleichermaßen anfechtbar.

Dass "Freiwilligkeit" im Arbeitsleben aufgrund der wirtschaftlichen Abhängigkeit der ArbeitnehmerInnen keine echte Kategorie ist, ist leider kein Geheimnis. Auch das Kündigungsanfechtungsrecht wird hier nur bedingt Abhilfe schaffen, da es die meisten ArbeitnehmerInnen wohl erst gar nicht auf eine Kündigung ankommen lassen werden. Es ist aber jedenfalls schon aus "rechtshygienischen" Gründen jedeR wegen der Weigerung zur Leistung eines "Zwölfstundentages" gekündigte ArbeitnehmerIn dringend zu empfehlen, vom gesetzlichen Anfechtungsrecht Gebrauch zu machen!

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