VfGH: Regelung über Kündigungsfristen- und termine für ArbeiterInnen – nicht verfassungswidrig!
Mit Erkenntnis vom 25.06.2024 zu G 29/2024 hat der VfGH nunmehr entschieden: § 1159 ABGB (Kündigungsfristen für ArbeiterInnen) ist nicht verfassungswidrig!
Angleichung ArbeiterInnen / Angestellte
Bis zum 30.09.2021 waren die Kündigungsfristen für Angestellte und ArbeiterInnen unterschiedlich geregelt. Während etwa der/die ArbeitgeberIn gemäß § 20 AngG bei der Kündigung eines/einer Angestellten eine Frist von (je nach Beschäftigungsdauer) sechs Wochen bis zu fünf Monaten (zum Quartalsende oder – bei entsprechender Vereinbarung – zum 15. oder Monatsletzten) einhalten musste, konnte ein/e ArbeiterIn (je nach anzuwendendem Kollektivvertrag) auch sehr kurzfristig gekündigt werden. Seit dem 01.10.2021 sind für ArbeiterInnen gemäß § 1159 ABGB auch die für Angestellte geltenden, längeren Kündigungsfristen anzuwenden. In Branchen, in denen „Saisonbetriebe“ überwiegen, können durch Kollektivvertrag jedoch auch abweichende Regelungen (insbesondere kürzere Kündigungsfristen und abweichende Kündigungstermine) festgelegt werden (§ 1159 Abs 2 und 4 ABGB).
Antrag des OGH an den VfGH
Der Oberste Gerichtshof (OGH) hatte mit Beschluss vom 14.02.2024 zu 9 ObA 38/23p an den Verfassungsgerichtshof (VfGH) den Antrag gestellt, die in § 1159 ABGB enthaltenen Ausnahmebestimmungen für „Saisonbranchen“ wegen Verfassungswidrigkeit aufzuheben. Aus Sicht des OGH würden diese Ausnahmebestimmungen gegen das Legalitätsprinzip verstoßen, da jene Voraussetzungen, die den Anwendungsbereich der Ausnahmeregelung („Saisonbetriebe überwiegen“) eröffnen sollen, nicht ausreichend bestimmt seien. Weiters würde § 1159 ABGB gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitsgrundsatz versoßen, da auch jene Betriebe, die selbst keine „Saisonbetriebe“ sind, diese Ausnahmeregelung für sich in Anspruch nehmen können, wenn sie einer Branche angehören, in der Saisonbetriebe überwiegen.
Entscheidung des VfGH
Nach Ansicht des VfGH (Erk vom 25.06.2024 zu G 29/2024) ist § 1159 ABGB nicht verfassungswidrig. Es handle sich hier zwar um unbestimmte Gesetzesbegriffe, die vom OGH angefochtenen Bestimmungen seien aber einer Auslegung zugänglich. Auch gehe der Gesetzgeber hier zulässigerweise von einer Durchschnittsbetrachtung aus. Die Möglichkeit, durch Kollektivvertrag für Branchen, in denen Saisonbetriebe überwiegen, abweichende Kündigungsfristen und -termine vorzusehen, verstößt laut VfGH somit weder gegen das Legalitätsprinzip noch gegen den Gleichheitsgrundsatz.
Schwierigkeiten in der Praxis
Theoretisch mag die Bestimmung des § 1159 ABGB vielleicht ausreichend bestimmt sein, in der Praxis ist aber (etwa in der Hotellerie und Gastronomie) mit vertretbarem Aufwand nicht feststellbar, ob Saisonbetriebe überwiegen. Der OGH wird somit in weiterer Folge zu klären haben, wer die Beweislast für das (Nicht)überwiegen trägt – vermutlich der Arbeitgeber, wenn er sich auf eine Ausnahmebestimmung beruft (darüber gibt es aber unterschiedliche Auffassungen).
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